Kinder im Ahrtal freuen sich auf Neustart ihres Feriencamps

Es ist ein Jahr her, als das Wasser der Ahr, ein Nebenfluss des Rheins, das Tal überflutete. Die dramatischen Bilder begleiteten uns wochenlang in den Medien. Ausgenommen in den betroffenen Gebieten selbst, steht das Thema in der Öffentlichkeit nicht mehr an erster Stelle. Andere Katastrophen sind in den Vordergrund gerückt.

Die Menschen vor Ort sind immer noch damit beschäftigt, zum Normalzustand zurückzukehren. Vor 50 Jahren hat der Pfarrer Horst Comes von der katholischen Pfarrgemeinschaft Altenahr ein Zeltlager gegründet, um einmal im Jahr Kindern eine Ferienfreizeit zu ermöglichen. Das Lager findet jedes Jahr an unterschiedlichen Plätzen in einem 50-Kilometer-Radius in Rheinland-Pfalz statt. Zelte, Küchenequipment und weiteres Material wurden in einem Haus an der Ahr gelagert und von Ehrenamtlichen in Schuss gehalten. Nichts konnte ihren Einsatz und den Ferienspaß der Kinder ausbremsen, auch nicht ein Hochwasser im Jahr 2016, das einen Schaden von etwa 5.000 Euro anrichtete.

Dann kam Corona. 2020 und 2021 musste das Zeltlager ausfallen. Das schmerzte zwar die Kinder und Betreuer, aber eine viel größere Katastrophe stand ihnen noch bevor, als zwischen dem 14. und 17. Juli 2021 eine Flutkatastrophe die Ahr über ihre Ufer treten ließ. 134 Menschen starben im Ahrtal, 800 wurden teilweise schwer verletzt. Der materielle Schaden geht in die Millionen. Für die Anrainer des Ahrtals war das nicht die erste Flutwelle. Die Aufzeichnungen von Überflutungen der Ahr reichen bis ins sechzehnte Jahrhundert zurück. Im Juli 1804 und im Juni 1910 fanden Überflutungen mit ähnlich schweren Folgen statt.

Die Zerstörungswut des Wassers kannte 2021 keine Grenzen. Und so wurden auch Haus und Keller, in denen sich das gesamte Material des Zeltlagers befanden, zerstört. „Wir haben einen Totalverlust“, stellte der ehrenamtliche Lagerleiter Stefan Reuter damals im Gespräch mit der Zeitschrift „Blick aktuell“ fest. Über 100.000 Euro betrug der Schaden. Die Menschen im Ahrtal zeichnen sich durch eine besondere Standfestigkeit aus, wissen sie doch, dass ihr Fluss ihnen immer wieder Sorgen bereitet. Der Aufbau geht voran, die Infrastruktur ist weitestgehend wieder hergestellt, wenn auch die Behörden nicht so unkonventionell arbeiten, wie sie es angesichts der Katastrophe im Sommer 2021 versprochen haben.

Worauf wir uns in Deutschland glücklicher Weise bei allen Katastrophen verlassen können, ist die Zivilgesellschaft, die unbürokratisch, vor allem schnell und effektiv hilft. Der gemeinnützige Verein „Kinderstern e.V.“ und der Förderverein Zeltlager Ahrbrück haben sich um das Geld für die Neubeschaffung der Ausrüstung gekümmert und „uns“, so Stefan Reuter, „den Hintern gerettet.“ „95 Prozent dessen, was wir benötigen, haben wir zusammen“, sagte er uns. Viele Klein- und Kleinstspenden sind zusammengekommen, aber auch größere wie zum Beispiel 5.000 Euro von der Kreissparkasse Ahrweiler oder 10.000 Euro vom „Netzwerk Inklusive Schule“ Köln, das über seine Kontakte Geld für das Zeltlager gesammelt hat.

Der größte Anteil kam aus Berlin. Und das kam so. Am 10. August 2021 startete der Berliner Unternehmer Reinhard Müller als Pendant zum EUREF-Campus Berlin den EUREF-Campus Düsseldorf. Eingeladen war unter anderem der damalige Ministerpräsident Armin Laschet. Müller überreichte ihm einen Scheck über 50.000 Euro für die Flutopfer. Und diese 50.000 Euro fanden ihren Weg zum Zeltlager Ahrbrück. Reinhard Müller: „Durch den EUREF-Campus Düsseldorf haben wir eine regionale Verbundenheit zum Flutgebiet Ahrtal, ebenso werden durch das Zeltlager direkt Kinder angesprochen, denen unsere DNA-Themen Klimaschutz, Energiesicherheit, Zukunftsmobilität und Nachhaltigkeit begegnen.“ Und nachhaltig ist die Spende auf jeden Fall, denn mit dem neu angeschafften Material können viele weitere Zeltlager in den nächsten Jahren durchgeführt werden.

Reinhard Müller überreichte am 10. August 2021 an Armin Laschet einen Scheck über 50.000 Euro für die Flutopfer

Zum Neustart des Zeltlagers nehmen in diesem Jahr knapp 100 Kinder zwischen acht und 15 Jahren teil, die sich dann, wie 2019, wieder zu einem Gruppenfoto zusammenfinden können.

Eine konfessionelle Bindung ist nicht erforderlich, jedes Kind kann teilnehmen. Das Lagerleiterteam um Stefan Reuter, der selbst seit acht Jahren dabei und von Beruf Informatiker ist, besteht aus vier Leuten, die gesamte Crew aus 44 Ehrenamtlichen, darunter die pädagogischen Betreuer und die Küchenkräfte. Das Lager versorgt sich komplett selbst. Das Zeltlager findet in diesem Jahr in Wißmanns-dorf, einer Gemeinde im Eifelkreis Bitburg-Prüm in Rheinland-Pfalz statt. Das neue Zeltlagermaterial ist vorerst auf einem nahegelegenen Firmengelände untergebracht worden. Die Malteser und die ADRA soteria gGmbH haben mit zwei Seecontainern ausgeholfen, um das Equipment sicher zu verstau-en. Ob der Keller, in dem das Material bislang lager-te, jemals wieder benutzt werden kann, ist ungewiss.

Ein besonderes Programm zum 50-jährigen Jubiläum mit Politprominenz ist nicht geplant, sagt Ste-fan Reuter. Es werden aber viele Aktionen mit den Kindern stattfinden.

Blick von oben auf das Zeltlager 2019

Bleibt also nur noch den Kindern und Betreuern schöne Ferien zu wünschen, und möge die Ahr dort bleiben, wo sie hingehört, in ihrem Flussbett.

Auch wenn die Spendenbereitschaft durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine schon sehr in Anspruch genommen wurde, finden sich vielleicht noch ein paar Euro, um die Kinder an der Ahr zu unterstützen. Förderverein Zeltlager Ahrbrück, Kreis-sparkasse Ahrweiler, IBAN DE73 5775 1310 0002 5054 10.

Redaktion: Ed Koch

Fotos: privat